
Amanar Import
Mali 1996
Zunächst einmal möchte ich etwas weiter
ausholen, um die Geschichte der Rasse Azawakh in
Europa kurz zu beleuchten und plausibel zu
machen, dass es unvermeidlich und sinnvoll ist,
aus den Ursprungsländern Mali, Niger und Burkina
Faso importierte Azawakhs züchterisch zum
Einsatz zu bringen.
Die Anfänge der europäischen Azawakhzucht
basieren bekanntlich auf nur sehr wenigen
Hunden. In den sechziger und frühen siebziger
Jahren brachten einige, in den damaligen, auch
das Ursprungsgebiet des Azawakhs umfassenden,
französischen Kolonien beschäftigte Franzosen,
Windhunde aus dieser Region bei ihrer Rückkehr
mit nach Frankreich. Mit einigen dieser Tiere
wurde begonnen zu züchten und die sogenannte
französische Linie der europäischen Azawakhzucht
begründet.
So brachte die von Parigi importierte Hündin
TOBORO II zwischen 1972 und 1978 vier Würfe von
vier ebenfallls aus dem Ursprungsbebiet
stammenden Rüden zur Welt. Es handelt sich um
AIKAR, AOURAKH, ADIGNAZ und TARGOUI.
Der größte Teil der französischen Zuchtbasis
bestand also aus einer Halbgeschwistergruppe.
Die von Francois Roussel importierte Hündin
TAHOURA bekam 1975 einen Wurf nach Oueleda,
einem Rüden aus der Verpaarung von Toboro II mit
Aikar. Der aus dieser Verbindung stammende
L´Azeraf wurde unter anderem auch in Deutschland
zur Zucht eingesetzt.
Kaola, eine Tochter von Toboro II und Adignaz
wurde 1979 mit TAKADAMAT, einem weiteren
Importrüden verpaart. Die aus diesem Wurf
stammende Pegga ist die Mutter des allseits
bekannten Timgad, der heutzutage in nahezu jedem
Azawakhpedigree zu finden ist.

Timgad
Die französische Linie basiert also tatsächlich
auf lediglich sieben importierten Tieren, was
die genetische Basis von Beginn an sehr eng
gestaltete.
Die Zuchtbasis der in Jugoslawien begründeten
Linie stellt sich sogar noch deutlich enger dar.
Etwa um dieselbe Zeit wie in Frankreich bekam
Dr.Pecar, ein jugoslawischer Diplomat, der in
Mali tätig war, zwei Hunde geschenkt, die aus
der Region Menaka im Azawakhtal in Mali
stammten.
Es
waren LARA und GAO. Die Tiere wurden nach
Jugoslawien verbracht und man begann auch dort
zu züchten. 1976 wurde noch DARKOYE SIDI, ein
aus der Provinz Oudalan in Burkina Faso
stammender Rüde importiert und zur Zucht
eingesetzt.

Darkoye Sidi,
Import Burkina Faso
Darkoye
war nach heutigen Maßstäben ein ausgesprochen
rustikaler Hund. Heutzutage wäre viel Mut
erforderlich, einen Hund solchen Typs in die
Zucht einzubringen und ich wage zu behaupten,
dass eine Reinrassigkeitserklärung durchaus
schwierig gewesen wäre.
Nachfahren
dieser Hunde waren der Beginn der schweizer,
deutschen, tschechoslowakischen und polnischen
Zucht.
Die Jugoslawische Linie bestand also
tatsächlich aus lediglich 3 Ausgangstieren.
Gao wurde insgesamt neun Mal zur Zucht
eingesetzt, davon sieben mal mit seinen eigenen
direkten Nachfahren und Darkoye wurde zunächst
in Yugoslawien, später in der Tschechoslowakei
und in Deutschland acht mal züchterisch genutzt.
Auch hier ausschließlich für Hündinnen der
jugoslawischen Linie, die meist eng mit ihm
verwandt waren oder von ihm abstammten.
In Ermangelung weiterer Zuchttiere wurde während
der zuvor beschriebenen Anfänge der Azawakhzucht
in Europa zwangsläufig sehr eng gezüchtet,
Inzestzucht (= Verpaarung von Individuen in
engsten Verwandtschaftsgraden, wie etwa Voll-
oder Halbgeschwisterverpaarung oder Eltern mit
ihren direkten Nachkommen) war keine Seltenheit.
Dies hatte sehr rasch eine genetische Verarmung
des Bestandes zur Folge. Schwindelerregende
Inzuchtkoeffizienten von teilweise bis zu 40
% und ein hoher Ahnenverlust waren das
Resultat dieser Zuchtstrategie.
Die Folge ist bekanntermaßen
Inzuchtdepression, d. h. die Verminderung
von Vitalität, Fruchtbarkeit und
Leistungsfähigkeit. Mit steigender Inzucht
werden immer mehr Genorte gleich besetzt und die
Nachzucht wird dementsprechend homogener, sowohl
phänotypisch als auch genotypisch. Durch
zunehmende Homogenisierung besteht auch die
Gefahr, dass sich Defektgene (d.h. Gene, die für
die Ausprägung von Erbkrankheiten verantwortlich
sind) „treffen“, was zum verstärkten Auftreten
von Erbkrankheiten führen kann.
Das
beste Beispiel dafür ist die damals stark von
Epilepsie betroffene jugoslawische Linie. Die
Häufigkeit des Auftretens von Epilepsie
steigerte sich von Generation zu Generation mit
zunehmendem Inzuchtgrad.
Bei solch engster Linienzucht können bei
entsprechender Selektion infolgedessen zwar
immer edlere und feinere Azawakhs gezüchtet
werden, aber diese auf Übertypisierung
hinauslaufende Entwicklung hat häufig negative
Auswirkungen auf die Anatomie. Wir sehen dies
beispielsweise an extrem engen Fronten, fragilen
Läufen, losen Gelenken, steppendem statt
ausgreifendem Gangwerk, zu schwachen und kurzen
Unterkiefern. Als Folge dessen dann zum Teil
auch Fangzahnengstand und mitunter auch
fehlendes Geschlechtsgepräge der Rüden.
Im Laufe der Jahre begann man dann dank der
Initiative einiger Züchter, darunter auch die
Familie Hochgesand, die beiden bis dahin
isoliert gezüchteten Linien untereinander zu
verpaaren, was für kurze Zeit den Inzuchtgrad,
jedoch nicht den Ahnenverlustkoeffizienten
erheblich senkte. Dieser Effekt hielt
verständlicherweise nur kurze Zeit an.
Last but not least soll die Familie Coppe,
Zuchtstätte Kel Tarbanassen in Frankreich, nicht
unerwähnt bleiben, die Mitte der achtziger Jahre
mit ihren drei aus Mali importierten Hunden,
TEKEWELT, EJEKER und C´BABASH zunächst rein auf
Importbasis zu züchten begann, später noch unter
Einbeziehung einer Hündin aus französischer
Zucht, Cenerentola des Nomades Bleus.
Tiere aus ihrer Zuchtstätte hatten erheblichen
Einfluß auf die gesamte europäische Zucht.
Sie finden sich in der überwiegenden Zahl aller
Pedigrees europäischer Azawakhs. So etwa Kel
Tarbanassen Firhoun, Guerwane, Gurerouguerou
oder Farah, um nur einige Namen zu nennen.
Wenn
man nun diese drei Importe noch zu den
klassischen Begründern der europäischen
Azawakhzucht hinzuzählen möchte, sind wir bei
insgesamt 13 Importtieren angelangt.
Jeder, der nur den Hauch einer Ahnung von
moderner Tierzuchtlehre hat, wird mir zustimmen,
dass das als Ausgangspopulation für die Gründung
einer gesunden Zuchtbasis nicht einmal
ansatzweise genug ist.
Gäbe es nicht in den letzten 20 Jahren immer
wieder Importe aus den Ursprungsregionen, könnte
man aufgrund der extrem kleinen europäischen
Ausgangspopulation heute bereits kaum noch guten
Gewissens züchten. Alle Hunde in Europa sind
engstens miteinander verwandt. Dies wird
natürlich aufgrund der langsam fortschreitenden
Anzahl an Generationen in den Pedigrees dem
unerfahrenen Betrachter nicht sofort klar.
Schaut man sich aber weiter hinten liegende
Generationen eines Pedigrees an, wird man
feststellen, dass nahezu alle dieselben
Vorfahren haben. Erfreulicherweise in letzter
Zeit etwas „aufgelockert durch den einen oder
anderen Import.
Die Rasse Azawakh wäre ohne die Einbeziehung
ausgewählter Importhunde deshalb genetisch
längst am Ende der Fahnenstange angelangt.
Verschärft wurde die genetische Verarmung der
Rasse zusätzlich noch durch den
populationsgenetisch völlig unsinnigen,
vermehrten Einsatz einiger besonders beliebter,
erfogreicher und typvoller Deckrüden ab Mitte
der neunziger Jahre, sogenannter Matadorzucht.

Kel Tarbanassen Firhoun
So
kam der wirklich einmalig typvolle Rüde Kel
Tarbanassen Firhoun insgesamt 12 Mal im Laufe
seines Lebens erfolgreich zum Deckeinsatz,
Gefell de Garde Epee und sein Bruder Greboun
jeweils zehn mal und prägten damit nachhaltig
den Typ der Rasse in Europa. Dies bewirkte
natürlich für die genetische Situation der Rasse
einen deutlichen „Flaschenhalseffekt“.
Stellt man sich vor, dass jedes Jahr in Europa
nur wenige Würfe geboren werden und ein nicht
unerheblicher Prozentsatz von diesen drei Rüden,
deren Mütter nebenbei auch noch Vollschwestern
waren, entweder direkt oder von ihren
unmittelbaren Nachfahren abstammt, so kann man
erkennen, dass dies eine erhebliche Einengung
der ohnehin beschränkten genetischen Breite zur
Folge hatte.
Nach diesem kurzen Abriss der Zuchtgeschichte
der Rasse in Europa, ist sicherlich eindeutig
erkennbar, dass der vermehrte und
kontinuierliche Einsatz von Import Azawakhs aus
dem Ursprungsland der Rasse unverzichtbar ist,
um der Zuchtpopulation eine ausreichende
genetische Breite zu ermöglichen und deren
Fortbestand auch langfristig zu garantieren.
Seit Beginn der neunziger Jahre werden zunächst
vermehrt in Deutschland, aus Mali, Niger oder
Burkina Faso importierte Azawakhs in das
Zuchtgeschehen integriert.
Doch
auch in Frankreich, dem standardführenden Land,
sind in jüngerer Zeit in zahlreichen
Zuchtstätten Würfe mit Importhunden bzw.
Importabkömmlingen der ersten Generation
gefallen. Dort hat man schnell gelernt, den
Importhund nicht als Konkurrenz, sondern als
Bereicherung der Rasse und des Genpools zu
begreifen.

Tainoss , Import
Burkina Faso
Sogar
hierzulande derzeit nicht zugelassene
Verpaarungen von Importhunden („Imp. 0 x Imp.0“)
hat es aktuell in Frankreich gegeben – mit sehr
ansehnlichem Ergebnis weitere Verbindungen sind
geplant. Beispielhaft seien hier nur einige der
zur Zucht eingesetzten Importe genannt: Dazol
in Chenan, Yaris und Biyanou, importiert von
Ursula Arnold, Amanar, Tainoss, Taytok,
Azabor, Aurakh Injakok, Taikoussou ak
Intangoum, Kela, Tigidit und Agarouf,
importiert durch A.B.I.S. ,Salome, Aikar und
Akchi, importiert von Strassner und Eiles,
E´Chipie Menaka und in jüngerer Zeit auch
Ramzes und Taira in der Zuchtstätte de
Garde Epee.
Natürlich kann man, wenn man möchte, gern über
die „Qualität“ der importierten Hunde
diskutieren, denn der eine oder andere robustere
Hund, von dem sich der in Europa gezüchtete Typ
bereits weit entfernt hat, ist schon dabei. Doch
sind die hierzulande gezüchteten Hunde ohne
Importblutanteil immer perfekt?
Hier kommen wir zu dem Punkt, an dem man
unweigerlich die, von Züchter- und
Halterkreisen, die dem Einsatz von Importhunden
kritisch gegenüber stehen, gerne verkündete
"Schöpfungslegende" betrachten muss.
In den schönsten Farben wird das Fabelwesen
eines hochedlen Tieres gemalt, des Begleiters
der blauen Ritter der Wüste, das auf wundersame
Weise völlig isoliert irgendwo im tiefsten
Azawakhtal gefunden und dann zur Begründung
einer ebenso edlen Population nach Europa
exportiert worden sei. Jahrelange immer wieder
durchgeführte Expeditionen in die
Ursprungsregion, sowie die empirische Erfassung
des Bestandes, belegt durch abertausende von
Photos in den letzten 15 Jahren durch A.B.I.S.
widersprechen und „entzaubern“ diese Legende.
Man kann sie also getrost dem Reich der Mythen
zuordnen.

C´Babash,
Import Mali
Sicherlich waren auch edle Hunde unter den
ersten Importen genau wie unter den heutigen.
Aber auch etwas „rustikalere“ Rassevertreter,
wie der zuvor im Abschnitt über die
jugoslawische Linie genannte Darkoye Sidi oder
auch später C’Babash, der in der
Zuchtstätte Kel Tarbanassen eingesetzt wurde –
diese seien hier nur als Beispiel genannt –
waren weder edler noch typischer als ein nach
hiesiger Auffassung als durchschnittlich
bewerteter Importhund der jüngeren Zeit. Dennoch
war und ist ihr züchterischer Einsatz auf lange
Sicht hin lohnend und unverzichtbar.
Auch können Importhunde sowohl im Show- als auch
im Leistungssektor durchaus Erfolge aufweisen.
Bereits Mali, 1982 von Rudolf Caster aus dem
gleichnamigen afrikanischen Staat importiert,
wurde Deutscher Champion. Der 1984 von Ursula
und Reinhard Arnold aus Niger importierte Rüde
Yaris wurde Deutscher Champion und Landessieger
NRW 1986 und 1987. Er lief erfolgreich auf der
Rennbahn und bekam die Leistungsurkunde
zuerkannt. Die 1986 ebenfalls von Familie Arnold
aus Mali importierte Hündin Dazol in Chenan
wurde Deutscher Champion, sie gewann 1988 das
Internationale Derby und wurde 1991
Kurzstreckenmeister, auch sie erhielt die
Leistungsurkunde. Akchi, 1986 importiert aus
Mali von Elisabeth Eiles und Hans-Jürgen
Strassner, wurde Deutsche Champion. Aikar Azol
Elkor, im Jahr 1987 gleichfalls importiert von
Elisabeth Eiles und Hans-Jürgen Strassner, wurde
Deutscher und Österreichischer Champion. Auch
die 1989 importierte Hündin Salome wurde
Deutscher Champion, VDH-Champion und gewann
zahlreiche Landessiegertitel, sie ist
Stamm-Mutter der Zuchtstätte Kel Tin-Hinan.

Ch.Taikoussou ag Intangoum,
Import Burkina Faso
Als die bei einer ABIS-Expedition 1993 aus
Burkina Faso importierte Hündin Ch.Taikoussou ag
Intangoum im Jahr 2003 aus der Veteranenklasse
heraus Jahressiegerin wurde, gewann sie das
Stechen gegen erstklassige Hündinnen, die
ihrerseits jeweils gut besetzte Klassen gewonnen
hatten. Seinerzeit waren immerhin 40 Hündinnen
gemeldet (6 x Jü, 2 x JK, 17 x OK, 6 x GK, 6 x
SK, 3 x VK). Weiterhin war sie Deutsche
Championesse, VDH-Champion und Landessiegerin
Bayern 1995.
Die im Jahr 2000 importierte Hündin Taytok, die
drei Mal zur Zucht eingesetzt wurde, trägt – als
erste Importhündin überhaupt - den Titel
„Champion für Schönheit und Rennleistung“
Taytok, Import Mali
Im Sport bewies vor allem der 1995 im Rahmen der
V. ABIS-Expedition importierte Azawakhrüde
Azabor herausragende Qualitäten. Von 12 Rennen
gewann er 9, holte zweimal den Titel
Landesrennsieger Berlin-Brandenburg und lief auf
480 m die sensationelle Zeit von 33,70 sec. Er
ist Vater des C-Wurfes Agg Amaias.
Der von Alberto Rossi 1997 importierte Rüde
Tigidit, der immerhin drei mal in die Zucht
gelangte, gewann die Coursing-EM 2002. Alberto
Rossi benannte seine Zuchtstätte nach dem ihm
sehr am Herzen liegenden Rüden.
Tigidit, Import Mali
Und bei genauerem Betrachten kommt man einfach
nicht umhin festzustellen, wie schnell mit etwas
züchterischem Talent und Weitblick mit
Importhunden in wenigen Generationen auch
hochedle Rassevertreter gezogen werden können.
Die Erfolge aller Importnachkömmlinge der ersten
oder zweiten Generation hier aufzuführen, würde
bei weitem den Rahmen sprengen.
Um dies zu veranschaulichen, hier nur ein
Beispiel:
Taytok -
Import aus Mali

Taletmot
Idiiyat es Sahel - erste Generation

Tombouktou´s
Yosal - zweite Generation
Abschließend bleibt zu sagen, dass der weitere
züchterische Einsatz von Importhunden, auch von
weiteren, neuen Exemplaren aus der
Ursprungsregion, nach modernen
populationsgenetischen Erkenntnissen zwingend
notwendig sein wird, um unsere Rasse langfristig
auf „gesunde Pfoten“ zu stellen.
Der aktuelle FCI Azawakh Standard, auch wenn ich
mir persönlich eine Ausweitung der Farb- und
Zeichnungsvariationen wünschte, gibt genügend
Raum für züchterische Interpretation.
Es sollte möglich sein, trotz
auseinandergehender Ansichten zur genetischen
Situation der Rasse in sportlichem Mit- und
Nebeneinander zu existieren und der Rasse eine
Perspektive zu geben.
Züchten heißt für mich, in Generationen zu
denken.
Und wenn ein großer Teil der
deutschen/europäischen Züchterschaft bereit ist,
zum Erhalt der Rasse, Importazawakhs in ihre
Zuchtprogramme aufzunehmen, so sollte dies, wenn
nicht gefördert, doch zumindest nicht blockiert
werden, um der Zukunft der Rasse eine Chance zu
geben.
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